Aus dem Pfarramt

Möglichkeiten
Erfolg (Foto: pixabay.com)

Viele Menschen – ich zähle mich auch dazu – verlassen sich gerne auf ihre Erfahrungen, um das, was noch werden könnte, zu erahnen.

Kürzlich vertraute mir eine Frau an, sie habe Mühe, vor Leuten etwas vorzutragen, obwohl sie eine offene und mitteilsame Person sei. Und tatsächlich hatte sie diesbezüglich in der Vergangenheit negative Erfahrungen gemacht. Wenn diese Frau das nächste Mal etwas vor anderen sagen muss, dann erinnert sie sich vermutlich an die negativen Erfahrungen und denkt: «es wird mir wieder so passieren!» Dass dies nicht sein muss, wissen wir alle. Und trotzdem verlassen wir uns halt gerne auf unsere Erfahrungen, wie negativ sie auch immer sein mögen, um Zukünftiges zu antizipieren.

Visionärinnen und Visionäre hingegen blicken offener in die Zukunft. Sie «sehen» zukünftige Möglichkeiten. Der Prophet Samuel war ein solcher Visionär. Samuel musste einen zukünftigen König für Israel finden. Gott hatte ihm offenbart, dass dieser König einer der Söhne Isais sei. Isai lebte in Bethlehem. Dort angekommen, schaute sich Samuel die Söhne von Isai der Reihe nach an. Als Isais Sohn Eliab vor ihn trat, dachte Samuel, dies müsse der zukünftige König sein, und er wäre bereit gewesen, ihn zu salben. Denn Eliab war ein starker Mann. Doch in dem Moment, in dem Samuel Eliab auswählen wollte, intervenierte Gott und sprach:
«Sieh nicht an sein Aussehen und seinen hohen Wuchs; ich habe ihn verworfen. Denn es ist nicht so, wie ein Mensch es sieht: Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der HERR aber sieht das Herz an.» (1. Samuel 16,7)

Was war da geschehen?
Ich vermute, Samuel hatte sich, wie viele Menschen dies tun, auf seine eigenen negativen Erfahrungen verlassen wollen, um den zukünftigen König zu finden. Er kannte nur grobe Typen als Könige der Welt. Vielleicht hatte er auch einen bestimmten Typ Mensch vor Augen, als Eliab vor ihn hintrat. Und bestimmt wäre Samuel bereit gewesen, seinen negativen Erfahrungen nachzugeben und einen solchen Typen, der ihm nicht gefallen konnte, zum König zu machen.

Zum Glück hatte er eine Vision, oder genauer gesagt eine Audition! Gott wollte nämlich einen König für Israel, der anders ist; er wollte David. Samuel vertraute Gott und salbte schliesslich David zum König, und dies, obwohl er wusste, dass Typen wie David meist sehr schlechte Karten beim Spiel um den Thron hatten. Ja, er vertraute Gott und schob all seine negativen Erfahrungen beiseite, die er in Zusammenhang mit Königen gemacht hatte. So durfte er der Zukunft offener entgegenblicken.

Eine großartige Geschichte mit einem mutigen Visionär! Ich wünsche mir für mich und alle Leserinnen und Leser, dass auch uns solche Blicke auf die Zukunft vergönnt sind, die von Vertrauen geprägt sind.

Simon Taverna